User Generated Content als Kernstück des Web 2.0
Als Urform für nutzergenerierte Inhalte in Medien kann der klassische Leserbrief angesehen werden. Zeitungen und Zeitschriften bedienen sich seit über 200 Jahren dieser Art der aktiven Beteiligung ihrer Abonnenten am Diskurs. Wegen der begrenzten Fläche, die für das Abdrucken von Lesertexten zur Verfügung steht, ist es jedoch nur sehr wenigen Beiträgen vergönnt, tatsächlich den Weg in die Öffentlichkeit zu finden.
Mit der Verbreitung des schnellen Internets in nahezu allen Schichten und Altersgruppen der Gesellschaft erlebte die aktive Teilnahme an Diskussionen über beliebige Themen seit Anfang des neuen Jahrtausends eine explosionsartige Entwicklung. Dies hat vor allem zwei Gründe. Zum einen war die Erzeugung von Inhalten auf Webseiten zunächst nur mit speziellen Kenntnissen für Software und Programmierung möglich und daher im Wesentlichen den Betreibern bzw. Webmastern der Seiten vorbehalten. Zum Zweiten stand dem normalen Heimanwender nicht genügend Bandbreite zur Verfügung, um anschauliche und unterhaltsame Formate des Austauschs wie hochauflösende Bilder und Videos auf komfortable Weise einsetzen zu können. Erst mit bahnbrechenden technischen Fortschritten bei Geschwindigkeit und Nutzerfreundlichkeit konnten diese Hindernisse überwunden und somit das Zeitalter eines interaktiven, partizipativen Internets begründet werden, für das sich auch das Schlagwort Web 2.0 durchgesetzt hat.
Was ist nun im Detail unter User Generated Content zu verstehen? Laut einer Definition der Weltwirtschaftsorganisation OECD müssen die folgenden drei Kriterien erfüllt sein. Es soll sich um einen
- öffentlich frei zugänglichen, publizierten Inhalt handeln, der
- eine kreative Eigenleistung des Erstellers enthält, jedoch
- nicht im Rahmen einer professionellen Routine entstanden ist.
Die Erscheinungsformen sind vielfältig, auf verschiedene Arten klassifizierbar und häufig miteinander verknüpft. Nach dem Format eines Nutzerbeitrags lassen sich Text, Bilder, Videos, Audios oder auch Quellcode für Software unterscheiden. Die Motivation eines Erstellers von UGC kann in schlichtem Mitteilungsbedürfnis begründet sein, in Eigennutz, um Hilfe für ein Problem zu erhalten, in Selbstlosigkeit, um das Problem eines Anderen zu lösen, oder natürlich ebenso in einem monetären Interesse, um bspw. eine Belohnung für das Abgeben einer persönlichen Einschätzung zu kassieren. Bezüglich des Umfelds von nutzergenerierten Inhalten kann man in Postings (Forum), Leserkommentare (Zeitung, Blog), Produktbewertungen (Shop), Clips (Videoplattform) oder Einträge in einem sozialen Netzwerk einteilen.
Wichtiges Instrument der Marketingstrategie
Für die Marketingabteilung von Unternehmen besteht ein hoher Anreiz, sich mit dem Konzept des User Generated Content intensiv auseinanderzusetzen und eine auf die adressierte Zielgruppe angepasste Strategie diesbezüglich zu entwickeln. Einige Argumente dafür sind:
- Kundenbindung: Die Möglichkeit, sich aktiv über Erfahrungen mit Produkten und Support auszutauschen, führt zu einer erhöhten Identifikation des Kunden mit einer Marke.
- Reichweite/Viralität: Ersteller von UGC teilen ihre Beiträge im Kreis von Freunden und Familie und erzeugen zusätzliche Verbreitung.
- Support-Entlastung: Kunden helfen sich in einem organisierten Forum gegenseitig mit der Lösung von Problemen und senken damit die Aufwendungen für den unternehmenseigenen Support.
- Glaubwürdigkeit: Die von Kunden selbst erstellten Erfahrungsberichte erhöhen das Vertrauen in die Qualität eines Produktes, einer Dienstleistung oder einer Marke.
- Marktanalyse: Durch das Schildern von positiven wie negativen Erfahrungen, Wünschen und Ideen erhält das Unternehmen eine Vielzahl von Informationen über die Bedürfnisse und Zusammensetzung seiner Kundschaft.
UGC-Zone im Blick behalten
Der umfangreiche Einsatz von User Generated Content als Teil des Marketings birgt jedoch auch große Gefahren für das Ansehen eines Unternehmens. Wenn es bei zahlreichen Kunden zu handfesten Problemen mit einem Produkt oder dem Service kommt, können negative Erfahrungsberichte schnell zu einem schweren Imageschaden führen, erst recht, wenn gravierende Qualitätsmängel in Form von Fotos oder Videos der Öffentlichkeit wirklichkeitsgetreu vor Augen geführt werden. Auch schlecht gepflegte oder fast verwaiste Nutzerbereiche, noch dazu mit minderwertigen oder gar anstößigen Beiträgen, werfen kein gutes Licht auf eine Marke. Konkurrenten können zudem UGC für das gezielte Betreiben einer subtilen Negativkampagne nutzen. Aus diesen Gründen liegt eine strenge Kontrolle von nutzergenerierten Inhalten im ureigenen Interesse eines Unternehmens.
Faszinierende Geschäftsmodelle
Über den Einsatz von User Generated Content als ergänzendes Instrument des Online-Marketings hinaus haben sich globale Unternehmen wie Facebook, YouTube oder Pinterest entwickelt, die den schier unstillbaren Drang der Internetgemeinde zu selbsterstellten Inhalten auf faszinierende Art für kommerzielle Geschäftsmodelle ausnutzen. Die Webseiten dieser Firmen dienen lediglich als technischer Dienstleister, um Interessenten für ein bestimmtes Thema oder Medium zusammenzuführen und einen reibungslosen, mannigfaltigen Austausch zwischen diesen zu ermöglichen. Als prominentestes Beispiel für das nichtkommerzielle Betreiben einer rein von Nutzern gefüllten Seite kann Wikipedia angeführt werden.
Rechtliche Aspekte von User Generated Content
Unabhängig davon, ob er systematisch befördert oder nur beiläufig akzeptiert wird, mit der Entstehung von User Generated Content ist eine Reihe von wichtigen juristischen Aspekten verbunden. Zum einen stellt sich die Frage nach der Haftung für den Fall einer Rechtsverletzung, insbesondere da User häufig anonym unter Verwendung eines Nicknamens auftreten und eine Identifizierung mit hohen Hürden verbunden ist, die in den meisten Fällen den Aufwand nicht lohnt. Aus diesem Grund wird die Haftung in der Regel dem Betreiber der Webseite zugesprochen. Außerdem rückt mit steigendem Anteil an kreativer Eigenleistung zunehmend die Zuordnung eines Beitrags aus Sicht des Urheberrechts in den Fokus.